MITTWOCH, 16.20 UHR

Hans Schmidt hatte nur etwa vierhundert Meter zu laufen, bis er am Haus anlangte. Er drückte dreimal kurz hintereinander die Klingel, leise ertönte der Torsummer. An der Haustür wurde er von der Hausherrin bereits erwartet. Sarah Schumann war elegant und zugleich sportlich gekleidet, der Jahreszeit angemessen, doch in hellen Farben, sie war dezent geschminkt, ihre braunen, feurigen Augen hatten nichts von ihrer Leuchtkraft eingebüßt, seit sie sich vor fast fünfundzwanzig Jahren zum ersten Mal begegnet waren. Im November war sie sechzig geworden, doch niemand hätte sie auf dieses Alter geschätzt, sah sie doch mindestens fünfzehn Jahre jünger aus. Sie lebte gesund, ernährte sich vegetarisch, hatte das Rauchen schon vor mehr als zwanzig Jahren aufgegeben, trank kaum Alkohol, und sie hielt sich fit, indem sie jeden Tag wenigstens eine Stunde Sport trieb. Zudem verfügte sie über einen wachen Verstand, der nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken war, dass sie aus einer Akademikerfamilie stammte (ihr Vater war ein hohes Tier beim Frankfurter Finanzamt gewesen), aber auch der Tatsache, dass sie nie aufgehört hatte, sich weiterzubilden. Soweit möglich, vermied sie es, sich auf Partys sinnlosem Smalltalk hinzugeben, sie liebte vielmehr die Ruhe und Abgeschiedenheit oder das Zusammensein mit ein paar wenigen guten Freunden. Sie war eine außergewöhnliche Frau. »Hallo«, wurde Schmidt von ihr begrüßt, sie küsste ihn rechts und links auf die Wange, ein strahlendes Lächeln überzog ihr beinahe faltenloses Gesicht, an dem noch kein Chirurg Veränderungen vorgenommen hatte. Sie duftete nach einem sinnlichen und doch unaufdringlichen Parfüm, als wollte sie sich zur Paarung bereitmachen, dabei hatten sie und Schmidt nur selten miteinander geschlafen, das letzte Mal im vergangenen Sommer in Nizza, in ihrem Haus über dem Meer. Er war zu dem Zeitpunkt zwar schon eine ganze Weile mit Maria zusammen gewesen, aber Sarah konnte er einfach nicht widerstehen. Diesmal würde es anders sein, er hatte sich vorgenommen, Maria nicht mehr zu betrügen. »Ich freue mich, dich zu sehen. Mehr, als du dir vorstellen kannst«, sagte sie, neigte den Kopf zur Seite und bat ihn einzutreten.

»Du siehst wie immer wunderschön aus«, sagte Schmidt und meinte es ehrlich, denn Sarah war für ihn seit ihrem ersten Treffen eine der schönsten und aufregendsten Frauen, die er je getroffen hatte. Die Einzige, die mit ihr mithalten konnte, war Maria, auch wenn diese aus einem eher einfachen Elternhaus stammte und nur über geringe finanzielle Mittel verfügt hatte, als sie sich kennenlernten. Während Marias Intelligenz mehr aus dem Herzen kam, war Sarah eher kopfgesteuert, was ihrer Sinnlichkeit jedoch keinen Abbruch tat. Maria war trotz ihres Stolzes von einnehmendem Wesen, während Sarah äußerst kühl und abweisend, distanziert und unzugänglich sein konnte, Eigenschaften, die sie schützten und womöglich verhinderten, dass sie ihren wahren Gefühlen zu viel Raum gewährte.

»Danke. Das Kompliment nehme ich gerne an. Frauen in meinem Alter tun solche Schmeicheleien gut.« »Sarah, ich bitte dich, das hast du doch nicht nötig ...« »Aber die Streicheleinheiten sind das Sahnehäubchen auf einem guten Kaffee. Wobei ich gestehen muss, dass auch du dich nicht ein Stück verändert hast seit unserem letzten Treffen voriges Jahr.« »Es ist gerade mal sieben Monate her.« »Ich kenne Menschen, die sich in sieben Monaten unglaublich verändert haben. Wir beide scheinen nicht zu altern, es kommt mir jedenfalls so vor«, sagte sie lächelnd.

»Das liegt wohl daran, dass wir nicht nur Vorsätze fassen, sondern sie auch in die Tat umsetzen.« »Ich kann dir nicht ganz folgen«, sagte Sarah Schumann, während sie sich in das blaue Zimmer begaben, die Bibliothek, in der sich mehr als viertausend Bücher befanden und wo dennoch so viel Platz war, dass man nicht das Gefühl hatte, erdrückt zu werden. Sarah Schumann lebte im Luxus, aber er bildete nicht den Mittelpunkt ihres Lebens, sie war keine jener High-Society-Ladys, deren Lebensinhalt aus nichts als Shopping rund um den Globus, Protzen und Verachtung anderer bestand. Sie hatte die Mittel, sich vieles leisten zu können, aber sie war auch eine der großzügigsten Frauen aus der Oberschicht, die Schmidt kannte. Sie war eine Mäzenin für Kunst und Kultur, sie hatte mehrere Stiftungen ins Leben gerufen, unter anderem für misshandelte und missbrauchte Frauen und für Lernbehinderte, die trotz allem eine Chance im Leben haben sollten, doch mehr als alles andere lagen ihr Kinder am Herzen, deren Körper und Seele durch traumatische, meist sexuelle Übergriffe schwersten Schaden genommen hatten.

Im Raum dominierten Blautöne, angefangen beim Teppichboden über die Sitzgarnitur und die Tapete bis hin zu den Vorhängen. Dennoch war die Atmosphäre alles andere als kühl.

»Nimm Platz. Ich habe uns einen Tee gekocht, eine sanfte, seltene Mischung aus Peru. Du wirst ihn lieben, auch wenn es kein Pfefferminztee ist.«

Auf dem runden Tisch standen zwei Tassen und eine kleine Schale mit Gebäck und ein Stövchen, auf dem die Teekanne warm gehalten wurde.

Sarah Schumann schenkte ein und setzte sich in den Sessel neben Schmidt. Sie streichelte ihm über die Hand und sagte: »Ich freue mich sehr über deinen Besuch, mehr, als du dir vorstellen kannst.«

»Ich mich auch.« Schmidt blickte ihr in die Augen. »Aber lass uns zum geschäftlichen Teil übergehen, sonst tue ich noch etwas Unbedachtes.«

»Und das wäre?«, fragte sie mit dem Anflug dieses spöttischen Lächelns, das er so sehr an ihr mochte, seit dem ersten Abend und der ersten Nacht des 12. Oktober 1984.

»Ich bin in festen Händen, und ich liebe Maria über alles, das habe ich dir schon ein paarmal gesagt.« »Ich weiß, aber du kannst mir nicht verbieten, dich trotzdem zu lieben. Ich bleibe dabei, wir sind Seelenverwandte und sind uns nicht umsonst begegnet. Ohne mich wärst du mit Sicherheit nicht da, wo du heute bist, und ohne dich wäre ich vermutlich schon längst tot. Manchmal wünschte ich mir, zehn oder fünfzehn Jahre jünger zu sein.«

»Es ist gut so, wie es ist, Sarah. Das Wichtige ist doch, dass wir uns aufeinander verlassen können.« »Ja, natürlich, du hast recht. Entschuldige, wenn ich etwas sentimental klinge, aber ...« »Was?«, fragte er, als Sarah nicht weitersprach. »Nichts, nichts, vergiss es.« »Nun sag schon!«

»Also gut, wenn du's unbedingt wissen willst - die Zeit läuft mir davon. Jedes Jahr vergeht ein Stückchen schneller und ...«

»Sarah, du bist sechzig und siehst aus wie Anfang oder Mitte vierzig. Die meisten Frauen können sich eine Scheibe von dir abschneiden.«

»Das ist es nicht. Die Zahl steht, und in meiner Familie gibt es niemanden, der älter als siebzig wurde. Ich habe Angst vor dem Alterwerden und ein wenig auch vor dem Tod. Oh, oh, ich hatte mir doch geschworen, nie darüber zu sprechen, und jetzt habe ich's doch getan.« »Gut, dass du darüber sprichst. Und merke dir: Ausnahmen bestätigen die Regel. Du wirst steinalt, du wirst es sehen.«

»Dein Wort in Gottes Ohr.« Sie trank ihren Tee und schenkte sich nach, während Schmidts Tasse noch unangetastet auf dem Tisch stand. »Themenwechsel: Wann darf ich Maria endlich einmal kennenlernen? Ich möchte wissen, wie die Frau beschaffen ist, die es fertiggebracht hat, dich sesshaft werden zu lassen. Sie muss eine außergewöhnliche Frau sein.«

»Maria ist außergewöhnlich. Ich denke, du wirst sie noch in diesem Sommer kennenlernen. Fast wäre sie sogar mit nach Kiel gekommen, aber es ist gut, dass sie in Lissabon geblieben ist. Sie hätte womöglich zum ersten Mal Fragen gestellt. Sie darf nie erfahren, was ich getan habe. Niemals, hörst du?«

»Was denkst du von mir? Glaubst du allen Ernstes, ich würde irgendjemandem verraten, wer du bist und was du tust? Warum sollte ich das tun?«

Sie nippte an ihrem Tee und stellte die Tasse wieder zurück. »Warum trinkst du nicht? Der Tee wird noch kalt, und man sollte ihn trinken, solange er heiß ist. Ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich hin und wieder etwas sentimental werde, auch wenn es sich in Zeiten wie diesen nicht geziemt. Ich bin nun mal eine Frau und erinnere mich gerne an die schönen Zeiten zurück. Nun lass uns in medias res gehen. Ich bin froh, dass wir uns nicht länger verklausuliert am Telefon unterhalten müssen, sondern Klartext sprechen können. Erzähl mir von Bruhns und Klein.«

»Erspare mir Details, ich habe nur getan, was ich für angemessen gehalten habe. Es tut mir nur leid, dass ein vollkommen Unschuldiger für Bruhns' Tod herhalten musste. Es war wohl, wie du im Vorfeld prophezeit hattest, nicht anders zu erwarten. Mich interessiert nun sehr, was sie sich für Klein einfallen lassen werden.« »Das ist unwichtig. Es geht in allererster Linie um dich.«

»Was ist denn auf einmal los?« Schmidt war ihre Besorgnis nicht entgangen.

»Wir hatten einen Plan, und der war gut. Aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob er auch bis zum Ende durchgehalten werden kann. Ich fürchte, sie werden dir auf die Spur kommen.«

Schmidt lachte leise auf. »Schon möglich, in meinem Job muss man mit allem rechnen. Ich bin vorsichtig und werde es weiterhin sein. Aber ich kann jetzt nicht aufhören, wenn es das ist, was du willst. Du hast mir ja erst die Augen geöffnet und ...«

»Darum geht es doch gar nicht. Ich habe Angst um dich. Sie werden alle Mittel ausschöpfen, um dich zu kriegen. Ich fühle mich sicher, tust du das auch? Fühlst du dich sicher?«

»Noch, ja. Aber mir gefallen deine Stimme und dein Blick nicht. Was ist los?«

»Was soll schon sein?«, fragte sie mit gequältem Lächeln.

»Du verschweigst mir doch etwas. Wie kommst du darauf, dass sie mir auf den Fersen sein könnten? Was verschweigst du?«

Sarah Schumann lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Ich verschweige dir gar nichts. Ich denke nur manchmal, dass wir diesmal einen Schritt zu weit gegangen sein könnten. Bruhns wäre, wenn ich es richtig einschätze, so oder so fällig gewesen, du bist ihnen nur zuvorgekommen. Aber Robert war für sie ein ungemein wichtiger Kontaktmann und Lieferant, dessen Tod ein Loch in die Organisation gerissen hat. Wie hast du ihn beseitigt?«

Schmidt ließ einen Moment verstreichen, bevor er antwortete: »Wie du weißt, war ich vorgestern bei einer seiner Auktionen. Da war eine bildhübsche junge Frau, Svenja, nicht nur bildhübsch, sondern auch ungemein stolz. Sie hat ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht gewillt sei, als Hure zu arbeiten. Er hat sie vor aller Augen in den Bauch geboxt, sie ist aber wieder aufgestanden. Er hat noch einmal zugeschlagen, und sie ist wieder aufgestanden. Dann hat er seinen mit Nieten besetzten Gürtel genommen und hat auf sie eingeprügelt, bis sie endgültig am Boden lag. Er war wie eine Bestie im Blutrausch, genau so, wie du ihn mir geschildert hast. Danach ging er kurz raus, kehrte zurück und schnitt ihr einfach die Kehle durch. Niemand hat eingegriffen, nicht einmal ich, weil ich es nicht wagen konnte, es waren zu viele Personen im Raum. Svenja war kaum tot, da fragte einer der Käufer Robert ganz ungeniert nach ganz zartem Fleisch, wenn du verstehst, was ich meine. Dieselbe Frage habe ich Robert gestern auch gestellt, er wäre sogar bereit gewesen, mir dieses extrazarte Fleisch zu beschaffen.«

»Ich weiß, welche unglaublichen Schweinereien Robert betrieben hat, so war er schon drauf, als ich ihm das erste Mal begegnet bin. Er hat mit allem gehandelt, auch mit Menschen, angefangen von Kindern bis zu jungen Frauen. Dieser Mistkerl hatte keinerlei Skrupel, Menschen waren für ihn nur Ware, nichts als Ware.« Sie hielt kurz inne und fuhr dann fort: »Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«

»Ich habe mit ihm das Gleiche gemacht wie er mit dieser Svenja. Er hatte es nicht anders verdient.« Es entstand eine Pause, bis Sarah Schumann sagte: »Du solltest aufhören und zurückfliegen nach Lissabon. Hier bist du nicht mehr sicher. Tu mir den Gefallen.« »Nein, ich bringe das zu Ende. Bis vor kurzem hatte ich keine Ahnung, was wirklich gespielt wird. Doch dann hast du mir die Geschichte erzählt, und mir wurde klar, dass ich nur eine Marionette in einem absurden Theater bin. Gut, ich habe eine Menge Vorteile als Marionette dieser Theatertruppe, ich habe finanziell ausgesorgt, aber ich habe begriffen ... Nein, das klänge jetzt wie eine Rechtfertigung. Ich habe im Auftrag diverser Organisationen Menschen getötet. Bis auf zwei waren es alle Schwerstkriminelle, aber das Mädchen, das bei deinem Mann war, hätte nicht sterben müssen. Genauso wenig wie Julianne Cummings.« »Du denkst noch oft an sie?«

»Zu oft. Wie du weißt, wollte ich danach alles hinschmeißen, aber ich konnte es nicht. Sarah, ich habe Pläne für die Zukunft, ich möchte mit Maria ein ruhiges und beschauliches Leben führen, wenn das alles hier vorüber ist. Mag auch sein, dass ich es nicht überlebe. Nur, ich muss es zu Ende bringen. Die sollen sehen, dass sie nicht unverwundbar sind.«

»Du hast bis jetzt immer ihren Schutz genossen ...« Schmidt winkte ab. »Nein, nein, ich habe mich all die Jahre über selbst geschützt ...«

»Und ich dich, ich habe stets für deine Anonymität gesorgt.«

»Ja, schon. Trotzdem, wenn ich nicht will, dass sie mich finden, finden sie mich auch nicht. Und falls doch, dann nur, weil ich einen Fehler gemacht habe. Ich werde aber keinen Fehler machen, es ist alles bis ins kleinste Detail durchgeplant. Wie ist es eigentlich um deine Sicherheit bestellt?«

Sarah Schumann lachte auf. Ihre Stimme klang wieder warm und weich, als sie antwortete: »Ich habe nichts zu befürchten. Ich pflege weiterhin den Kontakt zu bestimmten Personen, mein Einfluss reicht sehr, sehr weit... Nun, ich denke, ich stehe nicht auf ihrer Liste, denn sie brauchen mich, auch wenn sie's eigentlich gar nicht wissen. Das ist der einzige, aber entscheidende Unterschied zwischen dir und mir. Du bist entbehrlich, ich hingegen bin >nur< eine sehr vermögende und einflussreiche Frau, die es versteht, Kontakte zu pflegen und Informationen zu sammeln und zu streuen. Versteh das bitte nicht falsch, ich wollte ...«

»Ich bin mir dieses Unterschieds sehr wohl bewusst. Du bist die Frau im Hintergrund, ich stehe an der Front. Nur eine Frage: Wirst du weiter zu mir halten?« »Lass es mich so ausdrücken - du wirst der Letzte sein, den ich fallenlasse. Ich werde sogar dafür sorgen, dass sie falschen Fährten nachjagen. Ich habe übrigens ebenfalls vor, mich allmählich zu verabschieden und meine Zelte in Deutschland abzubrechen. Ich kann und will nicht mehr mitmachen, auch wenn ich in den letzten Jahren kaum noch was gemacht habe. Die haben mich in Ruhe gelassen.«

»Sarah, tu mir einen Gefallen, fahr wieder zurück nach Frankfurt. Kiel ist momentan kein gutes Pflaster für dich.«

»Nein, ich werde noch mindestens zwei Wochen bleiben. Glaub mir, ich bin hier sicher.«

»Wenn du meinst, ich habe dich aber gewarnt.« Schmidt sah auf die Uhr. »Ich muss leider los, ein wichtiger Termin. Dann sehen wir uns vielleicht schon morgen wieder.«

»Aber ruf bitte vorher an, ich habe vor, mich mit einigen Freunden zu treffen. Du kannst mich jederzeit auf meinem Handy erreichen, auch nachts.« Schmidt erhob sich und reichte Sarah Schumann die Hand, die ebenfalls aufstand. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und gab ihm völlig unvermittelt einen Kuss, den er erwiderte, obwohl er es sich anders vorgenommen hatte.

»Ich würde gerne mit dir schlafen. Ich bin mir bewusst, es ist vermessen, diese Bitte auszusprechen, aber ich wünsche es mir«, sagte sie und sah ihn an, als wäre er ein kostbares Juwel, das sie unbedingt besitzen wollte. »Du würdest Maria doch nicht betrügen. Ich hatte lange keinen Mann mehr, und keiner ist wie du. Überleg's dir, ich werde heute sehr lange wach sein.«

»Mal sehen«, entgegnete Schmidt und löste sich vorsichtig aus der Umarmung.

»Das hört sich wie ein Nein an. Ist es ein Nein?« »Es ist ein Vielleicht. Du verwirrst mich. Ciao, bella.« »Ciao, Liebster. Pass auf dich auf. Noch etwas: Ich werde versuchen herauszufinden, ob sie dir schon auf den Fersen sind oder ob sie dich mit den Morden noch gar nicht in Verbindung gebracht haben. Mein Kontaktmann ist sehr zuverlässig. Wenn du nachher kommst, weiß ich vielleicht sogar schon mehr.«

Schmidt stand bereits in der Tür, als er sich noch einmal umdrehte, Sarah Schumann ansah und sagte: »Etwas stimmt nicht mit dir. Was ist es?«

»Was soll mit mir nicht stimmen? Ich bin doch wie immer. Solltest du auf meine Avancen anspielen, das ist ein Teil meines Wesens. Ich bin eine Skorpionfrau und spreche die Dinge direkt an. Ich dachte immer, das magst du an mir.«

»Schon, das ist es aber nicht allein. Sarah, ich habe gelernt, in die Menschen hineinzuschauen, das bringt mein -Beruf mit sich. Wir sprechen nachher noch mal darüber. Ich muss jetzt los.« »Wohin?«

»Das erfährst du noch.«

Als Schmidt das Haus verließ, sondierte er unauffällig die Umgebung, doch da war niemand, nur ein paar Kinder und ein älteres Ehepaar auf der anderen Straßenseite. Er war verunsichert und sagte sich: Ich darf es nicht tun, ich darf nicht zulassen, dass meine Hormone mit mir durchgehen. Du wirst einen klaren Kopf bewahren. Nur noch ein paar Tage. Sarah hat vermutlich recht, wenn sie behauptet, dass sie mich jagen.

Zu Hause absolvierte er seine Übungen, duschte, zog sich um und veränderte abschließend sein Aussehen. Hans Schmidt war, wie so oft in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren, nicht mehr Hans Schmidt. Er hatte noch ein paar Minuten Zeit, setzte sich in seinen Sessel, die Arme auf die Lehnen gelegt, und dachte nach. Irgendetwas war anders gewesen bei Sarah Schumann. Sie war anders gewesen, auch wenn sie es bestritt. Warum beharrte sie darauf, zwei Wochen in Kiel zu bleiben? Warum wollte sie unbedingt mit ihm schlafen, wo sie doch wusste, dass er in festen Händen war und seinen Treueschwur Maria gegenüber ernst nahm? Vielleicht würde er ihn heute Abend brechen, er wusste es nicht.

Ein seltsames Gefühl beschlich ihn. Sarah Schumann hatte sich anders als sonst verhalten. Es war, als brannte ihr etwas auf der Seele, das sie ihm unbedingt mitteilen wollte, aber noch scheute sie sich davor, es zu tun. Er meinte, Angst in ihren Augen gesehen zu haben. Er konzentrierte sich und zwang sich, nicht weiter an Sarah zu denken. Nun ging es um die vor ihm liegenden drei Stunden.

Für den Abend hatte er etwas Besonderes geplant, etwas, mit dem niemand rechnete, denn Hans Schmidt war unberechenbar.

Nein, ihr werdet mich nicht kriegen, aber ich kriege euch und werde euch zeigen, dass ihr verwundbar seid.

 

Eisige Naehe
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